Serummarker zum Nachweis einer gestörten Darmbarriere

Was ist leaky gut?

leaky gut (engl. durchlässiger Darm) bedeutet, dass die Barrierefunktion der Schleimhaut des Dünndarms gestört ist. In Folge dessen können Bakterien und Toxine aus dem Darm in den Blutkreislauf gelangen und systemische Entzündung fördern. Des Weiteren treten Störungen bei der Aufnahme von Nährstoffen, Vitaminen und Spurenelementen auf, und vom Darmepithel sezernierte Enzyme, wie z. B. die für den Abbau von Histamin wichtige Diaminooxidase oder die Laktase, werden vermindert gebildet. Pathognomisch für ein leaky gut sind entweder eine erhöhte Durchlässigkeit der in der Darmschleimhaut befindlichen tight junctions oder eine strukturelle bzw. funktionelle Schädigung der Darmepithelien selbst.

Ursachen des leaky-gut-Syndroms

Eine gestörte Darmbarriere ist für Darmerkrankungen, aber auch andere systemisch entzündliche Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Migräne, Autismus, ADHS, Depression, Multiple Sklerose oder chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS) beschrieben. Abgesehen von entzündlichen Darmerkrankungen ist die Pathogenese der Darmpermeabilitätsstörung oft unklar. Bakterielle Fehlbesiedlungen des Darmes sind häufig assoziiert, wahrscheinlich aber eher Folge, als Ursache. Zahlreiche Umstände können ein leaky gut begünstigen, z. B. Infektionen, intestinale Exposition mit toxischen Metallen, Medikamente (NSAIR, Antibiotika u. a.), scharf gewürzte Speisen sowie Alkoholkonsum. Auch Stress kann leaky gut fördern, wahrscheinlich über psychovegetative Veränderung des Mikrobioms oder sympatikoadrenerge Stimulation von Mastzellen. Nahrungsmittelunverträglichkeiten können gleichzeitig Ursache und Folge eines leaky gut sein.

Labordiagnostischer Nachweis des leaky gut

Die Behandlung des leaky gut stellt eine wichtige Säule in der Therapie chronisch entzündlicher Erkrankungen dar. Sowohl zur Diagnosestellung als auch zur Therapiekontrolle sind nicht-invasive Labormarker unerlässlich. Als Referenzmethode gilt ein oraler Provokationstest, der Laktulose/ Mannitol-Quotient. Dieser Test wird allerdings wegen des Aufwandes und der Belastung des Patienten in der Praxis kaum durchgeführt.

Intestinal-fatty acid binding protein (I-FABP)

I-FABP kommt im Zytoplasma von Darmepithelzellen vor. Es vermittelt die Aufnahme von Fettsäuren. I-FABP ist zu 100 % für den Darm spezifisch. Wird das Darmepithel geschädigt, wird I-FABP in die Zirkulation freigesetzt und ist im Serum messbar. Zahlreiche Studien zeigen, dass der I-FABP-Serumspiegel ein valider Biomarker zur Darmpermeabilität bei Zöliakie, Weizensensitivität, entzündlichen Darmerkrankungen aber auch Depression sowie nach extremsportlicher Belastung ist und zur klinischen Besserung nach Therapie korreliert.

Abb. 1  I-FABP wird aus morphologisch und funktionell geschädigten Enterozyten frei und ins Blut abgegeben. 

Zonulin

Ein alternativer Blutmarker für leaky gut ist das Zonulin welches zur Prä-Haptoglobinfamilie gehört. Bakterien triggern im Darmepithel die Zonulin-Freisetzung, weshalb hohe Zonulinspiegel als Marker für entzündlich bedingtes leaky gut gelten. Allerdings kann bei zunehmender Entzündung und damit einhergehend schwerer Schädigung des Darmepithels die Freisetzung an Zonulin reduziert sein und deshalb ein inflammationsgetriggerter Zonulinanstieg ausbleiben. Das könnte dafür verantwortlich sein, dass sich für Zonulin hinsichtlich der Korrelation zu gastrointestinalen Beschwerden in verschiedenen Studien widersprüchliche Ergebnisse zeigten.

I-FABP- und Zonulin-Spiegel können differieren

Wie Abb. 1 zeigt, werden I-FABP und Zonulin unterschiedlich reguliert. Zonulin wird von Dünndarmepithelzellen sezerniert. Voraussetzung dafür sind: 1. ein inflammatorisches Signal (Entzündung) und 2. eine Mindestmenge an intakten Darmepithelzellen, die noch Zonulin produzieren können. I-FABP liegt hingegen immer in ausreichender Menge präformiert in den Mikrovilli der Darmepithelzellen. Es ist nicht inflammatorisch kontrolliert, sondern tritt bei jeder strukturellen Schädigung des Darmepithels ins Blut über.

Wann steigt I-FABP, wann Zonulin?

Die genannten Unterschiede bewirken, dass Zonulin vorrangig in der Initialphase entzündlich bedingter intestinaler Veränderungen hochreguliert wird, während es sich in der chronischen Phase normalisieren kann. In der späteren (chronischen) Phase scheint I-FABP Sensitivitätsvorteile zu haben, wie auch bei allen nicht-entzündungsbedingten Darmepithelschädigungen, z. B. bei Stress-bedingter Mangeldurchblutung, nach Antibiotikatherapie oder bei toxischer Metallbelastung.

Abb. 2  Befund eines Patienten nach 5-wöchiger antibiotischer Therapie mit deutlich erhöhter Darmpermeabilität

Was sollte man im Labor bestimmen lassen?

Ein Marker reicht meist nicht aus. Unsere bisherigen Ergebnisse zeigen, dass zwischen beiden Blutmarkern nicht immer Korrelation besteht. Ein auffälliger Marker ist ausreichend für die Diagnosestellung. Wir empfehlen die Veranlassung beider Marker. Wenn man sich (aus Kostengründen) für einen entscheidet, dann sollte I-FABP vorgezogen werden, da dieses häufiger auffällig ist. Bei normalem I-FABP sollte man aber Zonulin nachfordern.

Gibt es leaky-gut-Marker im Stuhl

Ja, ⍺1-Antitrypsin ist ein in der Leber gebildetes, großes Protein (54 KD), das nur bei gestörter Darmbarriere in den Stuhl übertritt. Erhöhte Werte im Stuhl weisen relativ spezifisch ein schweres Defizit der intestinalen Barriere nach. Bei leichteren Barrieredefekten ist ⍺1-Antitrypsin nicht ausreichend sensitiv, wahrscheinlich auch, weil es durch bakterielle Proteasen in Abhängigkeit von der Darmpassagezeit im Stuhl abgebaut wird. Vielfach genutzt werden auch die Stuhlmarker sIgA und Calprotectin. Das sind allerdings eher Entzündungsmarker, weshalb sie bei Ischämie, Stress oder toxisch bedingtem leaky gut kaum ansteigen. Der Bestimmung von Zonulin im Stuhl sollten, sofern die Möglichkeit zur Blutabnahme besteht, die o.g. Blutmarker vorgezogen werden. Die Zonulinwerte schwanken in Abhängigkeit von der Stuhlpassagezeit und der Proteasenaktivität im Stuhl relativ stark. I-FABP ist im Stuhl nicht zu bestimmen.

Was sind mit leaky gut assoziierte Folgephänomene?

1. Verstärkung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind oft sekundär die Folge von chronischenEntzündungsprozessen im Darm. Das Darmepithel ist Syntheseort von Enzymen wie Diaminooxidase und Laktase, weshalb entzündlich bedingte morphologische Veränderungen der Darmschleimhaut auch zu einer verminderten Synthese dieser Enzyme führen. Die Bestimmung von I-FABP und Zonulin dient nicht nur zur Diagnosestellung eines leaky gut, sondern erlaubt auch die Kontrolle des Therapieverlaufes bei sekundärem DAO-Mangel (Histaminintoleranz) bzw. sekundärer Laktoseintoleranz.

2. Resorptionsstörungen

Bei einer gestörten Darmbarriere können Nahrungsmittelbestandteile, Vitamine und Spurenelemente oft nicht adäquat resorbiert werden. Die Folge sind Mangelerscheinungen. Essentielle Spurenelemente wie Zink, Selen, Kupfer, Magnesium, Mangan, Kobalt oder Chrom spielen als Kofaktoren zahlreicher Enzyme eine wichtige Rolle. Bereits eine latente Unterversorgung kann u. a. mit einer verminderten kognitiven Leistungsfähigkeit oder einer erhöhten Infektanfälligkeit einhergehen. Zusätzlich beeinflussen einige Mineralstoffe direkt die Darmbarriere. Zink interagiert direkt mit den tight junctions. Bei Patienten mit erhöhten I-FABP- oder Zonulinwerten ist daher eine ausreichende Mineralstoffversorgung von großer Bedeutung. Um eine Überdosierung zu vermeiden, sollte sich diese an der Vollblutmineralstoffanalyse orientieren.

3. Gesteigerte Aufnahme toxischer Metalle

Sowohl durch Freisetzung aus metallischem Zahnersatz als auch über die Nahrung gelangen toxische Metalle wie z. B. Quecksilber, Silber, Zinn, Blei, Arsen oder Aluminium in den Darm. Im Normalfall werden sie zum großen Teil wieder ausgeschieden. Bei leaky gut kommt es dagegen zur verstärkten Aufnahme in den Organismus und somit zur toxischen Belastung.

Material

I-FABP und Zonulin: je 1 ml Serum

Ein Probeneingang im Labor innerhalb von 24 Stunden (24h) muss gewährleistet sein. Das Blut sollte bei Raumtemperatur gelagert und transportiert werden.
Innerhalb der Berliner Stadtgrenzen bieten wir Ihnen unseren Fahrdienst an (+49 (0)30 7701-250), für überregionale Abholungen kontaktieren Sie bitte den kostenfreien Kurierservice unter +49 (0)30 77001-450.

Abrechnung

Eine Abrechnung ist nur im privatärztlichen Bereich (GOÄ) gegeben. Selbstzahler entnehmen bitte die aktuellen Untersuchungspreise dem  PDF-Dokument.

Literatur

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  • Schellekens DH Plasma intestinal fatty acid-binding protein levels correlate with morphologic epithelial intestinal damage in a human translational ischemia-reperfusion model. J Clin Gastroenterol 2014;48:253–260.
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  • Ohlsson L leaky gut biomarkers in depression and suicidal behavior Acta Psychiatr Scand 2019: 139: 185–193